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Alexander Kästel

NACHEMPFUNDENES ERTRINKEN

Angst

Vorm Ertrinken

Angst davor, so allein zu sein

Ließ mich nicht ruhen

und einen Handel schließen

Als könnt' ich mir meinen Ausweg erkaufen

und das ging zwei Jahre gut

und den ganzen Juli


Seit August träume ich vom Ertrinken

Das Sterben fand kein Ende

In Wasser, so weiß und klar wie der Gin

den ich jeden Tag um halb sechs trinke

Zum letzten Mal hinabsinkend

Der letzte Atеmzug Lüge

Ringe ich mit Aalеn wie Seile

Es ist Äther, es ist-

Sonderbar

und dann, schließlich

ist es vorbei

Nun kommen die Aasfresser an

Die tüchtigen Kriecher

Picken rein, den Grund des Ozeans

Und der Tod, der alte Schlächter

kann mir nichts mehr tun

Diesen Traum

hatte ich noch nie zuvor gehabt

bis auf zwei Male

als meine Eltern sich an Flöße klammerten

und gemeinsam dem Tod ins Auge sahen

erstarrt

wie obszöne Photographien


Wer hört schon auf Träume?

Es sind nur Symbole für etwas

Wie Geld für den Analytiker

oder die Perücke deiner Mutter

Der Arm,

den ich beinahe in der Wäscheschleuder eingebüßt hätte

als ich

der Angst nachgehend bis zum Grund, an dem alten Faden zog

Aber wirkliches Ertrinken ist etwas für andere Leute. Es ist zu groß

um es absichtlich in den Mund zu nehmen

Es jagt dir heiße Stacheln auf die Zunge

und drückt dir die Kotze in die Nase,

während deine Lunge platzt

Wie ein nasser Hund

geworfen von diesem Jongleur

Stirbst du, hellwach


Die Angst

Ein Motor

Wälzt mich um

und um

bis ich allmählich

verblasse

und die Menge lacht

Ich verblasse ganz

Ein alter Radfahrer

dessen Risiken in Versicherungstabellen

aufgeführt sind

Dieses Wochenende war die Zeitung schwarz

von neuen Autobahntoten

Und in Boston fand der Würger sein nächstes Opfer

Und wir waren alle in Troro,

tranken Bier und schrieben Schecks aus

Die anderen waren Wellenreiten

steuerten Flöße wie Schlitten

Ich schwamm - doch die Flut kam herein wie zehntausend Orgasmen

Ich schwamm - doch die Wellen waren höher als die Hälse der Pferde

Ich war in diesen Schrank gesperrt

Bis sie mich die Zähne in die Tür geschlagen, herauszogen

Und mein Urin auf den Kiesstrand tropfe


Atme!

Und du weißt wie es ist

Als Ameise in einem Topf Schokolade

Sie kocht

und umschließt dich

Sie sagt dir nichts Neues die Angst

Am Ende aber ist es die Angst

In der du ertrinkst


- Anne Sexton -


Eine Person am Strand. Alles wirkt ein wenig mystisch, bedrohlich, seltsam.

BILDNUMMER: _4079607 | ORT: Dresden


Als Anne Sexton wegen ihrer psychischen Probleme einen Therapeuten aufsuchte, riet er ihr, zu schreiben. Aus der verzweifelten Hausfrau und Mutter wurde eine der meistgeehrten Dichterinnen Amerikas. Vor 50 Jahren nahm sich die Lyrikerin am 4. Oktober 1974 das Leben.



 

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Eine Aufnahme einer Blume von hinten und unten. Sie ist Rosa und hat einen grünen Stiel – der Hintergrund ist diffus nebelig in der selben Farbe der Blütenblätter.

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